Bundesarbeitsgericht: Digitales Zugangsrecht einer Gewerkschaft zum Betrieb

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 28. Januar 2025 (Aktenzeichen 1 AZR 33/24) eine Entscheidung zur Frage eines von Gewerkschaften eingeforderten „digitalen Zugangsrechts“ zu einem Betrieb gefällt. Der Volltext des Urteils ist jetzt auf der Internetseite des BAG abrufbar: https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp-content/uploads/2025/07/1-AZR-33-24.pdf .

Forderung der Gewerkschaft: Zugang zu interner Kommunikation Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Forderung der klagenden Gewerkschaft (IG BCE), im Betrieb der Beklagten digital Werbung betreiben zu können. Die Beklagte ist die Obergesellschaft eines weltweiten Konzerns (Adidas), im Betrieb sind etwa 5.400 Arbeitnehmer tätig. Ein erheblicher Teil der betriebsinternen Kommunikation findet digital, d. h. über E-Mail, eine interne Kommunikationsplattform und das konzernweite Intranet statt.

Die Gewerkschaft hatte gefordert, ihr für die Mitgliederwerbung „Zugang“ zu diesen Kommunikationssystemen einzuräumen. Dazu forderte sie von der Beklagten, ihr sämtliche betrieblichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu übermitteln, um den Arbeitnehmern bis zu 104 E-Mails im Jahr senden zu können. Zudem verlangte sie einen Zugang zum konzernweiten Netzwerk, damit sie dort eine bestimmte Anzahl werbender Beiträge einstellen könne. Außerdem solle die Beklagte auf der Startseite ihres Intranets eine Webseite der Gewerkschaft verlinken.

BAG: Arbeitgeber müssen E-Mail-Adressen nicht herausgeben Das BAG hat die geforderten digitalen Zugangsrechte verneint. Der Arbeitgeber ist nach dem BAG nicht verpflichtet, der tarifzuständigen Gewerkschaft die betrieblichen E-Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer zum Zweck der Information und Mitgliederwerbung mitzuteilen und die Ansprache der Arbeitnehmer im begehrten Umfang zu dulden.

Das BAG betont jedoch, dass die Gewerkschaft das E-Mail-System der Beklagten grundsätzlich zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen nutzen dürfe (vgl. BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08), sofern diese E-Mails den Betriebsablauf und den Betriebsfrieden nicht beeinträchtigen und insbesondere nicht darauf abzielen, die Arbeitnehmer zu einer Streikteilnahme zu mobilisieren.

Um die entsprechenden E-Mail-Adressen zu erhalten, stehe ihr die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Hier verweist das BAG darauf, dass die dort tätigen Arbeitnehmer den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit im Betrieb verbringen, auch wenn sie in einem bestimmten zeitlichen Umfang im Homeoffice arbeiten können.

Kein Anspruch auf Zugang zu internen Kommunikationsplattformen Nach Ansicht des BAG muss der Arbeitgeber der Gewerkschaft auch keinen Zugang zur konzerninternen Kommunikationsplattform einrichten oder auf der Startseite des Intranets einen Link zur Website der Gewerkschaft platzieren. Hierzu fehle es an einer Grundlage im Gesetz.

Die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsbetätigungsfreiheit umfasse kein Recht der Gewerkschaft auf quasi schrankenlosen digitalen Zugang zum Betrieb. Wenn die Gewerkschaft, wie beim Zugriff auf betriebsinterne Kommunikationsmittel, bei ihren Aktivitäten auf die Inanspruchnahme von sachlichen oder personellen Ressourcen des Arbeitgebers angewiesen sei, berühre dies dessen Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG und seine von Art. 12 – i.V.m. Art. 2 Abs. 1 – GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit.

Ausblick: Digitales Zugangsrecht im Koalitionsvertrag Traditionell informieren und werben Gewerkschaften im Betrieb vor Ort. Für diese Betätigung hat die Rechtsprechung Regeln entwickelt: Gewerkschaften haben das Recht, Arbeitnehmer im Betrieb zu besuchen und zu informieren sowie Aushänge am Schwarzen Brett anzubringen. Zudem hat die Gewerkschaft zur Wahrnehmung der im BetrVG genannten Aufgaben Zugang zum Betrieb (§ 2 Abs. 2 BetrVG).

Angesichts der zunehmenden Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den Betrieben heraus im Rahmen von mobiler Arbeit oder Homeoffice, wird die Frage digitaler Zugangsrechte für Gewerkschaften immer wieder diskutiert.

Das Urteil verdeutlicht, dass Gewerkschaften kein generelles Recht auf digitalen Zugang zu betrieblichen Kommunikationssystemen haben. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung aller betroffenen Grundrechtspositionen. Arbeitgeber sind daher mangels gesetzlicher Regelung nicht verpflichtet, digitale Infrastruktur für gewerkschaftliche Werbung zu öffnen.

Der Gesetzgeber hat bisher nur in § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG für Personalvertretungen im Bundesdienst digitale Zugangsrechte geschaffen. Nach dieser Regelung können Gewerkschaften im Bereich des öffentlichen Dienstes eine Verlinkung zur Website der Gewerkschaft im Intranet der Dienststelle verlangen.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD jedoch vereinbart, dass das betriebliche Zugangsrecht der Gewerkschaften außerhalb des öffentlichen Dienstes um einen digitalen Zugang ergänzt werden soll.

Der BVDM wird ein entsprechendes Gesetzesvorhaben kritisch begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Interessen der Arbeitgeber angemessen berücksichtigt werden.

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